Greenpeace Magazin: "Essen der Zukunft"

Projekt: Artikel für das Greenpeace Magazin / Was: Text, Rezept, Foto, Foodstyling


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Bald zehn Milliarden Menschen können nicht alle und ständig Rindersteak und Schweinebraten essen, das hält unser Planet nicht aus. Doch Eiweiß ist wichtig, wir brauchen also neue Ideen. Einige Vorschläge gibt es schon: Lupinen und manche Algen sind sehr eiweißreich. Insekten ebenfalls, zudem lassen sie sich leicht und in großen Mengen züchten. Und: Mehlwürmer pupsen nicht. Anders als zum Beispiel Rinder, die mit Methan aus Verdauungsvorgängen den Treibhauseffekt anheizen. Doch wie lassen sich diese ungewohnten Lebensmittel in den Alltag integrieren?

Ich starte einen Selbstversuch. Skeptisch bin ich bei den Insekten. Für eine Recherche über australisches Bushfood hatte ich vor Jahren schon mal witjuti grubs probiert, das sind Larven eines Holzbohrer-Käfers. Dick wie mein kleiner Finger sind sie, ziemlich prall, trocken und elfenbeinfarben. Objektiv zwar sauber und nahrhaft, subjektiv leider ein bisschen eklig. Um die Ekelschwelle zu überwinden, hatte ich die Maden damals mit Salbeibutter und Knoblauch gebraten – so haben sie gut geschmeckt, aussen knusprig, innen cremig-nussig ein bisschen wie Rührei. Meine Frau hat sie trotzdem nicht gegessen.

Die größte Auswahl an Insekten im Internet gibt es in einem thailändischen Shop mit eigenen Insektenfarmen. Am liebsten würde ich die Weber-Ameisen-Eier ausprobieren. Lebendigen Weberameisen habe ich auf besagter Recherchereise in Australien schon den Hintern abgeleckt, das schmeckt sehr erfrischend nach Limette. Später stellt sich leider heraus, dass Lieferungen nach Deutschland nicht immer ankommen – der strenge deutsche Zoll. Aber auch in Deutschland gibt es mindestens zwei Onlineshops für Insekten. Folke Damman, der Betreiber von Snack-Insects, berät mich und schickt Muster von Mehlwürmern, Büffelwürmern, Heuschrecken und Grillen. Sie alle sind gefriergetrocknet und sehen sehr appetitlich aus, in kleinen Gläschen und hübschen Schachteln. Erstmal stehen sie allerdings ein paar Tage auf meinem Schreibtisch herum, so ganz geheuer sind sie mir doch nicht. Dann probiere ich die Insekten und bin angenehm überrascht: Die Grillen erinnern ein bisschen an gepuffte Schweineschwarte, die Mehlwürmer haben etwas Nussiges. Ich finde das Krabbelgetier ist eine echte Alternative zu Chips und Flips und biete meiner Frau und meiner Tochter ein paar Würmer an. Ohne Erfolg. Auch als ich versuche zu argumentieren: „Ihr wollt doch Vegetarier sein und die Welt retten!“ weisen sie mich nur darauf hin, dass auch Mehlwürmer Tiere sind. Ich teile also mein Rezept: Bällchen aus pulverisierten Mehlwürmen und Grünkern für alle, die absolut keine Insekten in den Mund stecken wollen. Und glasierte Heuschrecken für abenteuerlustigere Insektenköche. Nicht alle, denen ich mein Gericht zum Probieren anbiete, trauen sich. Aber allen, die probieren, schmeckt es gut. Leider sind für den menschliche Verzehr gemästete Insekten sehr teuer. Mit Preisen um 500€/kg ist "Insekten essen" – der Fachbegriff dafür lautet "Entomophagie" – wohl noch nichts für den Alltag.

Anders als der von Würmern und Maden ist der Genuss von Lupinensamen psychologisch unkompliziert. Lupinenanbau beschert uns nicht nur Felder mit wunderschönen Blüten. Süßlupinensamen enthalten bis zu 40 Prozent Eiweiß von einer sehr hohen biologischen Wertigkeit. Gleichzeitig sind der Fettanteil und der Gehalt an bitteren Alkaloiden viel geringer, als in Sojabohnen. Phytoöstrogene, die den Hormonhaushalt beeinflussen oder sogenannte Trypsininhibitoren, die die Verdauung erschweren können, kommen in der Lupine kaum oder gar nicht vor. Das alles wusste ich nicht, meine erste Erfahrung mit gekochten Lupinensamen von einer Pflanze auf meinem Fensterbrett war äußerst bitter – aber das ist schon eine Weile her und war eben keine Süßlupine. Ich experimentiere mit ganzen Lupinenkernen: Die haben eine schöne Form und leuchten satt gelb. Mein Lupinengericht wird ein Ragout, sommerlich mediterran mit Tomaten und Estragon aus meinem Garten. Schmeckt sehr gut – ein bisschen irritiert mich die Konsistenz der Lupinenkerne: Während jede normale Hülsenfrucht irgendwann weich gekocht ist, bleiben die Lupinenkerne bissfest. Nach fast vier Stunden Garzeit habe ich sogar den Eindruck die Kerne würden wieder härter, als nach der ersten Stunde im Kochtopf. Wahrscheinlich ist das nur ein psychologisches Problem, Pasta und Gemüse lieben wir ja auch bissfest, trotzdem werde ich die Lupinen beim nächsten Versuch in einen Dampfdrucktopf werfen. Irgendwie kriege ich sie schon weich.

Ab und zu einen Salat oder eine Suppe mit Meeresalgen zu essen ist gesund. Nicht nur wegen der darin enthaltenen Proteine. Meeresalgen enthalten nämlich alle das Spurenelement Jod. Aber das ist gleichzeitig auch ein Problem, denn mehr als eine Spur von Jod ist auch nicht gesund. Süßwasser-Mikroalgen könnten die Lösung sein, denn sie enthalten kein Jod. Jörg Ullmann leitet eine Mikroalgen-Farm in Sachsen-Anhalt. In den vergangenen Jahren hat er mit der Zucht von Chlorella-Algen ohne Licht experimentiert. So bilden die Algen kein Chlorophyll und schmecken nicht mehr nach Algen. Ursprünglich wollte der Biologe eine Alge zur Speiseöl-Gewinnung züchten, doch herausgekommen ist erst einmal ein goldgelbes Chlorella-Algenpulver mit Eigenschaften, die Ei und Butter in Backwaren ersetzen sollen.

Das klingt gut, denn wirklich guter Ei-Ersatz ist ein großes Problem. Ich backe also einen Gugelhupf und ersetze 3 Eier und 200 g Butter aus einem sehr leckeren, üppigen Hefeteig-Rezept durch eine Handvoll Algen und etwas Wasser. Als der fertige Gugelhupf schön gelb, locker, saftig und duftend aus dem Ofen kommt, bin ich begeistert. Und alle, die den Gugelhupf probieren dürfen, auch.